1. Abgabenfrei bis zur Höhe der Mindestsicherung
Gabriele ist selbstständige Übersetzerin. Mit einem durchschnittlichen Jahresbruttoeinkommen von € 25.000 kommt sie in ihrer kleinen Mietwohnung gut über die Runden. Nach Steuern und SVA bleiben ihr noch rund € 17.200 im Jahr für Miete und laufende Ausgaben. Anfang 2016 geht einer ihrer drei größten Kunden in Konkurs, kurz darauf wird ihre Mutter schwer krank. Sie hat weder Zeit noch Nerven, nach neuen Großaufträgen zu suchen. Ihr Jahresbruttoeinkommen rasselt auf € 15.000 hinunter. Davon schuldet sie der SVA € 4.000, doch sie entscheidet sich, stattdessen ihre Miete zu bezahlen. Der private und finanzielle Druck mindern ihre Leistungsfähigkeit und ihr Einkommen sinkt weiter. Im folgenden Jahr kann sie gerade einmal € 10.000 generieren – knapp die Höhe der derzeitigen Mindestsicherung. Trotzdem muss sie davon noch € 2.600 an die SVA zahlen. Das kann sie nicht. Gabriele würde gerne weiterarbeiten und irgendwann wieder ihr früheres Einkommen erreichen, hat aber Angst vor einem Konkursantrag, weil sie bei der SVA bereits Schulden anhäuft. Sie überlegt, mit der Arbeit ganz aufzuhören und sich beim AMS zu melden. Dann aber würde sie ihre bestehenden KundInnen verlieren und nur sehr schwer wieder auf die Beine kommen.
Problem: Wer selbst wenig hat, kann keine Beiträge zahlen
Derzeit können die Sozialversicherungsbeiträge arbeitende Menschen unter die Armutsgrenze bringen. Erst ab einem Jahreseinkommen von € 14.000 (vor SVA und Steuern) erreichen Alleinstehende die Höhe der bedarfsorientierten Mindestsicherung (€ 838 pro Monat). Und sogar davon kann man bekanntlich nicht gerade gut leben. Es kann nicht das Ziel sein, Selbstständige, die sich gerade einmal selbst erhalten können, reihenweise in Konkurs zu schicken, nur weil sie sich die Sozialversicherungsbeiträge nicht leisten können. Diese Menschen enden im schlimmsten Fall als MindestsicherungsbezieherInnen, kosten die Allgemeinheit dann also € 838 im Monat. Und da sind die Kosten der Sozialbürokratie (AMS etc.) noch gar nicht mitgerechnet.
Lösung: Ein Mindesteinkommen bleibt unangetastet
Wäre es nicht klüger, sie würden zwar nichts in den Sozialtopf einzahlen, dafür aber wenigstens auch keine Leistungen in Form von Mindestsicherung aus dem Sozialtopf benötigen? So lange, bis sie mit ihrer Selbstständigkeit genug verdienen, um sich auch Sozialversicherungsbeiträge leisten zu können?
Die ARGE1 schlägt daher vor, erstens die Sozialversicherungspflicht erst ab einem Jahreseinkommen, das der Höhe der Mindestsicherung entspricht, einzuheben, und zweitens auch dann nicht mit einem Mindestbeitrag einzusteigen, sondern – ähnlich wie bei der Einkommensteuer – erst jeden über der Freigrenze verdienten Euro prozentuell zu belasten. Es muss ein Mindesteinkommen geben, das unangetastet bleibt. Wichtig dabei ist aber: Die Krankenversicherung muss aufrecht bleiben. Für die Pensionsversicherung sollen zwar die Arbeitsjahre zählen (ähnlich den Kindererziehungszeiten), allerdings keine Einkünfte berücksichtigt werden, da ja auch keine PV-Beiträge eingezahlt werden.
2. SVA-Verrechnung vereinfachen und Fallen vermeiden
Brigitte ist Unternehmenscoach und hat ein stark schwankendes Jahreseinkommen. Ein besonders gutes Jahr hatte sie 2015 mit einem Jahresbruttoeinkommen (vor Steuern und SVA) von € 56.000. In dem Jahr schrieb ihr die SVA Beiträge von € 7.800 vor (auf Basis ihres Einkommens von 2012). Von den nun verbleibenden € 48.200 zahlt sie € 15.000 Einkommensteuer. Tatsächlich müssten ihre SVA-Beiträge allerdings mehr als das Doppelte betragen, was ihre Einkommensteuer auf € 11.700 reduziert hätte. Diese fehlenden € 7.900 werden ihr von der SVA allerdings erst 2018 nachverrechnet, zusätzlich zu den dann vorgeschriebenen Beiträgen. Im Jahr 2018 hat Brigitte aber ein sehr umsatzschwaches Jahr – sie kommt nur auf ein Bruttoeinkommen von € 18.000. Davon zahlt sie inklusive Nachzahlung insgesamt € 12.000 an die SVA. Sie fällt damit weit unter die Einkommenssteuerpflicht (ca. € 11.000). Daher wirken sich die Beiträge nur zum Teil mindernd auf ihre Einkommensteuer aus. Über die drei Jahre hat sie rund € 3.000 zu viel an Einkommensteuer bezahlt.
Problem: Schwer nachvollziehbare SVA-Vorschreibung wird zur Falle
Zwischen Einkommensteuer und SVA-Beiträgen hin- und herzujonglieren, dafür sind nicht alle gleichermaßen talentiert. Die Berechnung und die Wechselbeziehungen sind mehr als kompliziert: Die tatsächlich bezahlten SVA-Beiträge gelten als Betriebsausgaben und können von der Einkommensteuer abgesetzt werden. Liegt das aktuelle Einkommen aber unter € 11.000, gibt es keine Einkommensteuer, die sich noch vermindern ließe. Das EPU hat also in einem vergangenen Jahr zu viel Steuern gezahlt, was im aktuellen Jahr nicht wieder gutgemacht werden kann.
Wer hingegen jetzt die vorgeschriebenen SV-Beiträge nicht zahlt, also Schulden bei der SVA macht, um erst im nächsten Jahr zu zahlen, stößt auf ein weiteres Problem: Denn um die tatsächlich fälligen SV-Beiträge errechnen zu können, nimmt die SVA das Einkommen laut Einkommensteuererklärung (also ohne bezahlte SV-Beiträge) und rechnet die VORGESCHRIEBENEN SV-Beiträge wieder dazu, nicht die tatsächlich bezahlten. Diese Summe gilt dann wieder als Basis zur Berechnung der zukünftigen SV-Beiträge. Ist man bei der SVA im Zahlungsrückstand, kann es passieren, dass man Beiträge auf Einkommen zahlt, das man nie erzielt hat! – Die klassische Selbstständigen-Falle.
Lösung: Gemeinsame Einhebung von Einkommensteuer und SVA-Beiträgen
Zur Lösung dieses Problems schlägt die ARGE1 ein Modell zur gemeinsamen Einhebung von Einkommensteuer und SVA-Beiträgen vor. EPU erhalten zugleich mit dem Einkommenssteuerbescheid auch einen SVA-Bescheid mit demselben Datum und derselben Fälligkeit, der sich auch auf dasselbe Geschäftsjahr bezieht. So können die errechneten SVA-Beiträge auch gleich bei der Einkommenssteuer geltend gemacht werden. Die Vorschreibungen sind leicht nachvollziehbar und EPU müssen auch keine freiwillige SVA-Sonderzahlung zu Jahresende mehr berechnen.
3. Soziale Minimalabsicherung auch für Selbstständige
Wie viele seiner Kollegen verliert auch Helmut, 56, seinen Arbeitsplatz, als die Firma, für die er arbeitet, an einen Konzern verkauft wird. Als er auch nach einem Jahr als Arbeitsloser keine Anstellung mehr finden kann, entschließt er sich, seine handwerklichen Fähigkeiten selbstständig anzubieten. Als „Heimwerker zum Mieten“ kann er sich sogar einen kleinen Kreis regelmäßiger KundInnen aufbauen und erreicht im ersten Jahr seiner Selbstständigkeit immerhin ein Einkommen von € 7.000. Davon muss er nun € 1.831 an die SVA überweisen, wofür er seine Ersparnisse verwendet. Es bleiben ihm also knapp € 5.200 im Jahr. Davon kann er auf Dauer nicht leben. Würde er das in einer Anstellung verdienen, könnte er sein Einkommen mit der Mindestsicherung auf € 10.056 im Jahr aufstocken. Da er jedoch sein Einkommen selbstständig bestreitet, bekommt er keine Unterstützung.
Problem: Es geht um die Existenz von Menschen!
Die Mindestsicherung ist dazu da, um am alleruntersten Ende der Einkommenspyramide die völlige Verarmung zu verhindern. Und sie steht theoretisch allen BürgerInnen zu. Tatsächlich aber fallen Selbstständige von vornherein durch die Maschen dieses letzten Auffangnetzes. Denn wer Mindestsicherung beziehen will, muss beim AMS vorgemerkt sein. Das AMS merkt aber nur Personen vor, die nicht bei der SVA versichert sind (und das ist man mit Gewerbeschein automatisch, ohne Gewerbeschein ab einem Jahreseinkommen von rund € 5.000). Selbstständige müssen dann den Gewerbeschein zurücklegen und damit auch die wenigen verbliebenen KundInnen fortschicken, also komplett aufgeben. Der Weg zurück in die Unabhängigkeit wird deutlich erschwert.
Lösung: Gleiches Recht für alle
Die Voraussetzung, dass keine SVA-Pflichtversicherung bestehen darf, um Mindestsicherung zu beziehen, muss fallen. Um das Einkommen der selbstständigen Mindestsicherungs-Aufstocker laufend zu überprüfen, kann die monatliche Buchhaltung als Einkommensnachweis herangezogen werden. Wurde die Mindestsicherung zu Unrecht bezogen, wird sie ohnehin zurückgefordert. Hier ist aber ein wenig Umdenken notwendig: Die prinzipielle Schuldvermutung den Selbstständigen gegenüber muss endlich fallen. Wir sind keine BetrügerInnen, die mit ein bisschen Zahlenkosmetik ihr Einkommen irgendwie hinbiegen. Betrug gibt es auch, allerdings erstens in allen Bevölkerungsgruppen – und zweitens setzt er meistens wesentlich höher an als bei der mickrigen Mindestsicherung.
4. Gewerberecht entmüllen
Peter, wohnhaft in Klosterneuburg, ist gelernter Grafiker, hat im Laufe der Zeit aber seinen KundInnen auch immer wieder mit gut ausformulierten Werbetexten ausgeholfen. Zusätzlich bietet er ihnen seine Dienste als Fotograf an. Er ist ein Allrounder, eine Ein-Mann-Agentur. Laut Gewerberecht übt er er aber zwei Gewerbe aus – und muss zweimal Grundumlage an die WIrtschaftskammer zahlen. Für Peter als Niederösterreicher macht das stolze € 473 aus. Würde er ein paar Kilometer weiter südlich, nämlich in Wien, leben, käme die Grundumlage übrigens auf nur € 274.
Problem: Mehrfache Mitgliedschaften kosten mehr
Für viele EPU wird die Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer zum finanziellen Problem. Dann nämlich, wenn die veraltete Branchenzuordnung zu einer Mehrfach-Mitgliedschaft führt.
Lösung: Gewerberecht entrümpeln
Die ARGE1 fordert die Reduzierung der Gewerbescheine, zumindest bei freien Gewerben, auf einen einzigen EPU-Schein. Einfach, weil das der heutigen Realität von Selbstständigen besser entspricht.